Indien (Rajasthan)

„Hello my friend! Where are you from?“

„Czech republic.“

„Ah, great! Where is it?“

„Near to new zealand.“

„Ah, right! I remember!“

Über Rajasthan viel zu schreiben, verbietet sich streng genommen, denn der im Nord-Westen Indiens gelegene Staat ist eigentlich nur seh-, riech-, fühl- und/oder hör-bar, weniger beschreib-bar.

Unendlich viele Farben und Formen lungern an jeder Straßenecke, bereit, einem die Augen zu weiten.

Ungeahnte – oft auch ungewollte – Gerüche warten im nächsten Innenhof auf das nichts-ahnende olfaktorische Opfer.

Unverschämte Temperaturen von bis zu 45Grad Celsius schmachten danach, einen zum Bratmaxe werden zu lassen.

Viel Spaß beim Sehen – der Rest muss irgendwie bereist werden!

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Indien (Agra)

And through the leaves and concrete you´re gonna grow into something that death can´t steal

Eine junge Frau lässt vor einem bekannten Reiseziel durch ihre Freundin unzählige Fotos von sich machen. Danach fotografiert sie ihre Freundin. Sie begutachten die Bilder auf dem Bildschirm. Sie freuen sich über die gelungene Bildkomposition, ihr Lächeln, ihre pfiffigen Posen… Sie laden die Bilder in einem bekannten sozialen Netzwerk hoch. Freunde kommentieren die Bilder. Die Bilder überdauern ihre Jugend, ihre Schönheit und andere Unannehmlichkeiten des Lebens.

Ein alter Mann nimmt an seiner elektrischen Orgel Lieder auf. Er beherrscht sein Instrument, er beherrscht die Titel: Toccaten, Marienlieder, Rumba-Klassiker, Eigenkompositionen. Er freut sich. Auch sein Nachbar hört die Lieder in digitaler Form bei sich nebenan. Der alte Mann wird älter und scheidet aus der Welt. Auf seiner Beerdigung werden seine Lieder gespielt. Sie überdauern ihn, die Sommer, die Herbste und die Winter.

Eine Frau und ein Mann lieben sich. Sie zeugen 14 Kinder. Bei der Geburt des 14.Kindes stirbt die Frau. Der Mann trauert. Monate. Jahre. Zum Gedenken an seine Frau baut er eine Gruft, eher ein Denkmal. Unzählige Arbeiter verbauen unzählige Tonnen Marmor, Schnitzereien und Arabesken zum Angedenken der Frau. Der Prunk und Glanz des Baus lässt dem Mann die Trauer leichter gelingen. Die Gruft, das Denkmal wird bekannter als die Frau selbst. Es wird zur Sehenswürdigkeit. Auch der Mann stirbt. Ihm wird kein Denkmal gebaut. Er wird in der Gruft seiner Frau bestattet.

Was bleibt von uns, wenn wir gehen? Was macht uns unsterblich? Was kann uns der Tod nicht rauben?

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Indien (Fotos von Fotos)

Cogito ergo sum

Als ein junger Mann mit Joey-Ramone-Frisur und Jeff-Bridges-Bart 1641 sein unumstößliches Diktum zur Erkenntnisfähigkeit hinausposaunte, gab es lange Zeit erst mal nichts zu rütteln: Wenn mein Oberstübchen funktioniert, ist alles im Lack!

Leider machen die Jahre nach Beginn des 3.Jahrtausends die Sache mit der Erkenntnisfähigkeit nicht unbedingt leichter. Die eigene Existenz wird durch die Fotografie immer wieder auf die Probe gestellt: Es ist, was fotografiert wurde. Berge, Brüste, Bekanntschaften. Nur was auf dem Sensor – in den seltensten Fällen noch Filmrolle – landet, ist.

Besonders Exotisches ist nur dann glaubhaft, wenn man es auf Kamera, smartem Telefon oder Blog feilbieten kann. Ansonsten muss die Erkenntnisfähigkeit und das Erlebte des Erzählers angezweifelt werden. Natürlich nimmt sich der Schreiber hier nicht heraus, jedoch scheinen gerade dessen eher geringe Pigmentierung und rot-blonde Gesichtsbehaarung die Aufmerksamkeit Mancher gerade anzuziehen. In einer Art verklärter Okzident-Nostalgie wird der sehr weiße Mann abgelichtet, was das Zeuch hält: Ob gefragt, ungefragt, aus der Hüfte, mit dem Tablet, hinter dem Pfeiler, hinter der Ecke – Hauptsache ablichten!

Fotografo ergo sum!

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Indien (Delhi)

There are so many different worlds
So many different suns
And we have just one world
But we live in different ones

U-Bahnstationen werden hierzulande meist von Fahrkartenautomaten, Naschwerkautomaten und ab und an auch von einem schicken Ochsenschwanzsuppenautomaten gesäumt. Alles, was das Herz des Fahrgasts braucht, kann kurz vor Fahrtantritt ergattert werden.

Gesellt sich zum Fahrkartenautomat aber auch eine schicke Sandsackstellung mit entsichertem Maschinengewehr und angespanntem Soldaten, dann – ja was eigentlich „dann“? Entsteht ein Gefühl von Sicherheit? Von Befremdung? Von Angst? Genau kann man das gar nicht sagen.

Am 15.August 1947 bekommt die Erde ein neues Land und Indien einen neuen Nachbarn: Pakistan. Dass einer Geschichte immer viele Geschichten voraus gehen und viele nachfolgen, ist wohl nichts Neues.

Die Vor-Geschichte: Die Zu- und Umstände im Vielvölkerstaat Indien verschärfen sich vor 1947 drastisch. Gandhi entzieht mit seinem Salzmarsch den britischen Besatzern mehr und mehr ihre Hoheit über den Subkontinent. Das Commonwealth wird (früher oder später) einen wichtigen Teil – den wichtigsten? – seiner Kolonien verlieren. Eine schnelle Lösung muss her, denn die Geschehnisse in den Hauptstädten werden vor allem eines, blutig. Der Streit zwischen Hindus, Moslems und Sikhs entgleitet dem britischen Militär mehr und mehr. Ein junger britischer Landvermesser macht sich an die Arbeit einen zwei Landstriche voneinander abzutrennen, um neben Indien auch einen explizit muslimischen Staat zu schaffen. Welche Stadt gehört zu welchem Land? Welche trockene, welche fruchtbare Zone erhält wer? Welchen Teil der enzyclopedia britannica bekommt welche Bibliothek? A-L oder M-Z? In der Nacht zum 15.August 1947 werden den Staatsoberhäuptern Nehru und Jinnah die Teilungspläne vorgelegt. Wut und Entrüstung auf beiden Seiten über die (un)geschickte Aufteilung durch den britischen Landvermesser, der die Sonder-Prämie von 2000 Pfund ablehnt und sich auf den Weg zurück nach England macht. Das Beenden der Auseinandersetzungen durch die Teilung scheint Utopie zu werden. Die Szenen in Indien und Pakistan nehmen eher Züge von Dantes Inferno an: Die Opferzahlen in den Wochen und Monaten um die Unabhängigkeit schwanken zwischen 200.000 und 500.000.

Die Grenze zwischen Indien und Pakistan ist heute immer noch einer der brisantesten Krisenherde der Welt.

Und Delhi 2012? Nach den Terrorangriffen im Jahr 2009 in Mumbai ist Delhi auf Zack. Die oben genannte Sandsackstellung ist aber sicherlich kein genuin indisches Phänomen. Islamo- und Terrorphobie. Die Angst vor dem islamischen Nachbarn Pakistan, atomare Penisverlängerungen auf beiden Seiten, Kriege und Scharmützel mit implizit/explizit religiöser Motivation… Die Geschichte geht weiter.

Bevor weiter ins Politische abgerutscht wird: In diesem Artikel geht es nicht um eine Aufarbeitung/Klärung/Lösung/Schuldzuweisung/Darstellung/Analyse/Deutung des Indien-Pakistan-Konfliktes. Es geht eigentlich um Bilder von Delhi im August 2012. Nichts mehr, nichts weniger.

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