Ex-Abhörstationen

Ein Spion am rechten Ort ersetzt 20.000 Mann an der Front

Damals: Eltern über´s Wochenende weg.

Gründe: Kegel-Club-Wochenende, Katholikentag, Vettern- & Cousinentreffen, Überreizung vom pubertärem Gehabe der Sprösslinge, Weinprobe in Boppard am Rhein… [Reihe regional/konfessionsgebunden erweiterbar].

Folge: Lange Videonachtnächte mit Schicksalsgenossen. Ohne Vincent und Jules, ohne Gina [maximal Emmanuelle] und ohne Jigsaw. Dafür mit Sean, George, Roger und Timothy.

Letztens: Eltern über´s Wochenende zu Hause.

Gründe: Kegel-Club am Sonntag, Evangelischer Kirchentag, Vettern- & Cousinentreffen schon letztes Jahr, Faszination vom pre-pubertärem Gehabe der Enkelkinder, Weinprobe erst im Herbst… [Reihe regional/konfessionsgebunden erweiterbar].

Folge: Langes Wochenende in der Hauptstadt und wochenlange Vorfreude auf ein semi-legales Einsteigen in die ehemalige Abhörstation der NSA auf dem Teufelsberg. Ohne Sean, George, Roger und Timothy. Dafür mit sieben Euro Eintritt, Sprayer-Sprühnebel in der Nase und verkaterter/genervter/französischer Erasmus-Austausch-Studentin-Teufelsberg-Wikipedia-Artikel-Vorleserin.

Heute: Vorfreude auf lange Videonachtnächte mit Schicksalsgenossen und ein semi-legales Einsteigen in die ehemalige Abhörstation der NSA auf dem Teufelsberg.

5-2013 Berlin-295 Weiterlesen

Treptower Park

Und dann im Februar,

auf dem Weg nach Kandaha,

liegst du zitternd auf dem Boden,

während andere in’s Kino geh’n.

Regen. Nieselregen. Später Sonne. Die Luft ist satt, trotzdem noch angefüllt mit Blumenladenduft. Ein Polizeiauto dreht seine Runden. Dauerläufer dehnen sich. Unfreundliche Psychotiker beschimpfen Hundebesitzer. Freundliche Psychotiker umrunden manisch Statuen.

Drei Tage nach dem Tod eines deutschen Soldaten in Afghanistan wird auf dem Gelände des sowjetischen Ehrenmals im Treptower Park/Berlin den gefallenen Soldaten der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg gedacht – 8.Mai 2013. Zwischen Kondolenzkränzen deutsch-demokratischer Traditionalistenverbände und LIDL-Sträußen steht ein Glas Wodka mit Brot.

Ein russisches Sprichwort sagt: „Овчинка стоит выделки“ – „Das Schaffell lohnt das Gerben“. Wohl dann.

5-2013 Berlin-013

Ex-Freizeitparks

Nimm mich mit auf den Rummel!

Zwei Brüder. Der Jüngere: Besitzer eines kleinen Freizeitpark-Maskottchens in Hasenform mit langen Ohren. Der Ältere: Ungestüm, wüst und teilweise auch recht grimmig. Eines Tages: Streit Streit Streit. Wo Worte versagen, müssen Taten her. Die Unfähigkeit zur Kommunikation wird durch das Abschneiden der Freizeitpark-Maskottchen-Ohren kompensiert. Streit Streit Streit.

Eine Stadt. Die eine Hälfte: Real existierender Sozialismus und Besitzerin eines Freizeitparks. Die andere Hälfte: Klassenfeind mit Anbindung an den westlichen Imperialismus. Eines Tages: Wende Wende Wende. Wo Haushaltsmittel ausgehen, müssen private Investoren her. Die Unwilligkeit zur Investition wird mit Drogenschmuggel kompensiert. Streit Streit Streit.

Im Herzen von Berlin, kurz hinter dem sowjetischen Denk/Mahn/Ehrenmal, liegt der VEB Kulturpark Plänterwald. Ehemaliger Rummelplatz für den volkseigenen Freizeitspaß. Wo sich früher in heiteren Stunden von der Erfüllung des sozialistischen Plansolls erholt wurde, ist heute die Erotik des Verfalls zu bewundern. Zwischen umgefallenen Dinosauriern und bemoosten Kaffee-Tassen-Karussels nimmt einen die ehemals volkseigene Bimmelbahn für schlappe 2€ mit auf die Reise in die Zukunft durch die Vergangenheit. Glücklicherweise verfügt der Rummel-Reisende heute meist über digitale Kameras, denn die analogen Recycling-Kameras von Kodak sind leider seit ein paar Tagen ausverkauft. Streit Streit Streit.

5-2013 Berlin-163

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