Indien (Delhi)

There are so many different worlds
So many different suns
And we have just one world
But we live in different ones

U-Bahnstationen werden hierzulande meist von Fahrkartenautomaten, Naschwerkautomaten und ab und an auch von einem schicken Ochsenschwanzsuppenautomaten gesäumt. Alles, was das Herz des Fahrgasts braucht, kann kurz vor Fahrtantritt ergattert werden.

Gesellt sich zum Fahrkartenautomat aber auch eine schicke Sandsackstellung mit entsichertem Maschinengewehr und angespanntem Soldaten, dann – ja was eigentlich „dann“? Entsteht ein Gefühl von Sicherheit? Von Befremdung? Von Angst? Genau kann man das gar nicht sagen.

Am 15.August 1947 bekommt die Erde ein neues Land und Indien einen neuen Nachbarn: Pakistan. Dass einer Geschichte immer viele Geschichten voraus gehen und viele nachfolgen, ist wohl nichts Neues.

Die Vor-Geschichte: Die Zu- und Umstände im Vielvölkerstaat Indien verschärfen sich vor 1947 drastisch. Gandhi entzieht mit seinem Salzmarsch den britischen Besatzern mehr und mehr ihre Hoheit über den Subkontinent. Das Commonwealth wird (früher oder später) einen wichtigen Teil – den wichtigsten? – seiner Kolonien verlieren. Eine schnelle Lösung muss her, denn die Geschehnisse in den Hauptstädten werden vor allem eines, blutig. Der Streit zwischen Hindus, Moslems und Sikhs entgleitet dem britischen Militär mehr und mehr. Ein junger britischer Landvermesser macht sich an die Arbeit einen zwei Landstriche voneinander abzutrennen, um neben Indien auch einen explizit muslimischen Staat zu schaffen. Welche Stadt gehört zu welchem Land? Welche trockene, welche fruchtbare Zone erhält wer? Welchen Teil der enzyclopedia britannica bekommt welche Bibliothek? A-L oder M-Z? In der Nacht zum 15.August 1947 werden den Staatsoberhäuptern Nehru und Jinnah die Teilungspläne vorgelegt. Wut und Entrüstung auf beiden Seiten über die (un)geschickte Aufteilung durch den britischen Landvermesser, der die Sonder-Prämie von 2000 Pfund ablehnt und sich auf den Weg zurück nach England macht. Das Beenden der Auseinandersetzungen durch die Teilung scheint Utopie zu werden. Die Szenen in Indien und Pakistan nehmen eher Züge von Dantes Inferno an: Die Opferzahlen in den Wochen und Monaten um die Unabhängigkeit schwanken zwischen 200.000 und 500.000.

Die Grenze zwischen Indien und Pakistan ist heute immer noch einer der brisantesten Krisenherde der Welt.

Und Delhi 2012? Nach den Terrorangriffen im Jahr 2009 in Mumbai ist Delhi auf Zack. Die oben genannte Sandsackstellung ist aber sicherlich kein genuin indisches Phänomen. Islamo- und Terrorphobie. Die Angst vor dem islamischen Nachbarn Pakistan, atomare Penisverlängerungen auf beiden Seiten, Kriege und Scharmützel mit implizit/explizit religiöser Motivation… Die Geschichte geht weiter.

Bevor weiter ins Politische abgerutscht wird: In diesem Artikel geht es nicht um eine Aufarbeitung/Klärung/Lösung/Schuldzuweisung/Darstellung/Analyse/Deutung des Indien-Pakistan-Konfliktes. Es geht eigentlich um Bilder von Delhi im August 2012. Nichts mehr, nichts weniger.